Jüdische Identität als Farce in der französischen Gegenwartsliteratur

Kai Nonnenmacher, „Jüdische Identität als Farce in der französischen Gegenwartsliteratur“, Vortrag beim Workshop „Entwürfe jüdischer Säkularität“, März 2023. [Programm siehe unten.]

Pour qu’une histoire fasse partie, sans aucun doute, de l’humour juif, il faut donc qu’elle concerne des problèmes propres aux Juifs et qu’elle ait été inventée par des Juifs (mais il peut arriver que des histoires qui ne font pas partie de l’humour juif aient quelque chose de juif dans le regard qu’elles portent sur le monde).

„Damit eine Geschichte zweifellos zum jüdischen Humor gehört, muss sie also Probleme betreffen, die für Juden typisch sind, und sie muss von Juden erfunden worden sein (es kann aber auch vorkommen, dass Geschichten, die nicht zum jüdischen Humor gehören, in ihrer Sicht auf die Welt etwas Jüdisches haben).“

Nach dieser klassischen Definition von Joseph Klatzmann in L’humour juif (Que sais-je, 5. Aufl, Paris 2009) ist Humor durchaus ein Register jüdischer Identitätsverhandlungen: Die Farce als temporeiches komisches Bühnenstück transportiert im Französischen noch die Herkunft aus der Küche mit, nämliche die Füllung von etwas Fremdem, wie bei den „Gefilte Fisch“ der aschkenasischen Juden.

Ausgehend vom literarischen Essay der französischen Rabbinerin Delphine Horvilleur, Il n’y a pas de Ajar: Monologue contre l’identité (Paris : Grasset, 2022) – den Valérie Lehoux in Télérama „monologue burlesque“ nannte (30.10.2022) –  soll das komische Register jüdischer Identitätsverhandlung in der französischen Gegenwartsliteratur in der Spannung von Tradition und säkularer Lebenswirklichkeit in den Blick genommen werden. So kann ihre These überprüft werden:

L’obsession identitaire crée des assignations, des sédentarisations mentales et religieuses, des obsessions d’authenticité et de pureté qui, de mon point de vue, sont toujours le premier pas vers une forme de fanatisme.

„Die Identitätsbesessenheit schafft Zuweisungen, mentale und religiöse Sesshaftigkeit, Besessenheit von Authentizität und Reinheit, die meiner Ansicht nach immer der erste Schritt zu einer Form von Fanatismus sind.“ 
Delphine Horvilleur, Il n’y a pas de Ajar

Programm Workshop „Entwürfe jüdischer Säkularität“

Bamberg 13. März 2023 ab 9:00 Uhr
Obere Karolinenstraße 8, Raum OK8/02.04

Kontakt für Rückfragen: Pascal Fischer

Obgleich jüdische Säkularität als analytischer Gegenbegriff zur jüdischen Religiosität verwendet werden kann, offenbart ein genauerer Blick, dass ein säkulares Verständnis jüdischer Identität und Kultur in vielfacher Weise mit dem Religiösen verwoben ist.

Der Bamberger Workshop möchte literatur- und kulturwissenschaftliche, religionswissenschaftliche und soziologische Diskussionen über theoretische Aspekte jüdischer Säkularität ebenso befördern wie den Austausch über konkrete kulturelle und literarische Erscheinungsformen des Phänomens.

Programm

9:00 – 9:30 Uhr
Susanne Talabardon:
Zum Zusammenbruch jüdischer Identitäten

9:45 – 10:15 Uhr
Kai Nonnenmacher:
Jüdische Identität als Farce in der französischen Gegenwartsliteratur

Kaffeepause

10:50 – 11:20 Uhr
Anna Lena Westphal:
Identitätsentwürfe jüdisch-deutschsprachiger Autor:innen der letzten zehn Jahre

11:35 – 12:05 Uhr
Iris Hermann:
Jüdische Lyrik und säkulare Jewishness

Mittagspause:
Gelegenheit zum gemeinsamen Mittagessen

14:00 – 14:30 Uhr
Lea Schäfer (Marburg):
Zwischen Assimilation und Dissimilation: Historische Wechselbeziehungen zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Sprachen im deutschen Sprachraum

14:45 – 15:15 Uhr
Pascal Fischer:
Die Diskussion um Tikkun Olam in der jüdisch-amerikanischen Gemeinschaft

Kaffeepause

16.00 bis ca. 17.30 Uhr
Table Ronde:
Entwicklungsperspektiven der Forschungsinitiative Jüdischkeit

Abendessen