Call for Papers / Artikelausschreibung

Republik und Romantik: zur Aktualität von Germaine de Staëls De la littérature

Zum 200. Todestag von Germaine de Staël im Jahr 2017 laden Olaf Müller (Mainz) und Kai Nonnenmacher (Regensburg) zu einer Sektion in den Romanischen Studien (mit ca. sechs Aufsätzen) über De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales (1800) ein. Mme de Staël gilt als Vorläuferin der Literatursoziologie und der vergleichenden Literaturwissenschaft. Dennoch ist seit frühen Übersetzungen im 19. Jahrhundert der Text nicht mehr auf Deutsch verfügbar, im Gegensatz etwa zu den zahlreichen Ausgaben von De l’Allemagne.

. Angenommene Beiträge sind dann bis 31.3.2017 einzureichen. Beitragssprachen können Deutsch, Französisch, in begründeten Fällen auch Englisch oder eine andere romanische Sprache sein.

Mögliche Aspekte sind etwa:

Zur Einreichung registrieren sich die Beiträger/innen dann bitte auf der Website der Zeitschrift als Autor/in und laden den Aufsatz online incl. Verschlagwortung und Abstract hoch. Die Höchstlänge von 30.000 Zeichen bitte nicht weit überschreiten. Formales und Zitierweise werden online unter Über uns > Beitragseinreichung erläutert.

 


Je me suis proposé d’examiner quelle est l’influence de la religion, des mœurs et des lois sur la littérature, et quelle est l’influence de la littérature sur la religion, les mœurs et les lois. Il existe, dans la langue française, sur l’art d’écrire et sur les principes du goût, des traités qui ne laissent rien à désirer; mais il me semble que l’on n’a pas suffisamment analysé les causes morales et politiques, qui modifient l’esprit de la littérature. Il me semble que l’on n’a pas encore considéré comment les facultés humaines se sont graduellement développées par les ouvrages illustres en tout genre, qui ont été composés depuis Homère jusqu’à nos jours.
(Mme de Staël, De la littérature, Discours préliminaire)

De la littérature, das im April 1800 erschien, war nicht nur eine deutlich gegen Napoleons (Kultur-)Politik gerichtete Kampfschrift, sondern vor allem ein großer literaturtheoretischer Wurf:

Nach zwei unsteten, in Paris, Coppet und auf Reisen verbrachten Jahren, publizierte sie im April 1800 die bedeutende Abhandlung De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales (= Von der Betrachtung der Literatur im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Institutionen). Hierin formuliert sie als eine der Ersten die Theorie, dass literarische Werke durch das konkrete Umfeld, in dem sie entstehen, geprägt sind, worunter sie sinnfälligerweise vor allem die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse verstand, allerdings auch die klimatischen und geographischen sowie sonstige äußere Bedingungen. In diesem Sinne rief sie die quasi zwischen Nord und Süd platzierten französischen Literaten auf, sich nicht mehr nur an der heidnischen mediterranen Kultur der Antike zu inspirieren, sondern auch an der christlich-germanisch geprägten Kultur des mittelalterlichen Mittel- und Nordeuropas. Hiermit wies sie der beginnenden Romantik den Weg. Sie selbst begann, in Konsequenz ihrer Einsichten, Deutsch zu lernen und sich mit der deutschen Kultur zu befassen. (online)

Anne Louise Germaine de Staël-Holstein wurde als Tochter des Bankiers Jacques Necker, des Finanzministers Ludwigs XVI., am 22. April 1766 in Paris geboren und starb am 14. Juli 1817 in Paris. 1786 wurde sie Baronesse de Staël durch Heirat mit dem schwedischen Gesandten in Paris, was es ihr ermöglichte, einen politisch und literarisch einflussreichen Salon zu führen, mit dem sie in der Revolutionszeit wiederholt in Konflikt mit den jeweiligen Regierungen geriet. Sie floh 1792 vor der radikalisierten Revolution auf das elterliche Landgut Coppet bei Genf und ins Exil nach England. Nach einer kurzen Phase der Bewunderung für Bonaparte wandte sie sich bald nach dessen Staatsstreich offen gegen die sich befestigende Diktatur. Nach mehreren Pressekampagnen, die Napoléon gegen Mme de Staëls Schriften (De la littérature, 1800; Delphine, 1802) inszenieren ließ, verbannte er sie 1803 aus Paris und lieferte ihr damit den Anlass für die Deutschlandreise, die die Grundlage bildete für ihr bis heute berühmtestes Werk, De l’Allemagne (1810 fertiggestellt, 1813 zuerst publiziert).

Ill.: Germaine de Staël, Porträt von Vladimir Borovikovsky, 1812, Tretjakow-Galerie, Moskau